1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

6.7.1918

/ / Wieder in der Heimat - 26.3.-3.10.1918

Wiederum musste ich feststellen, dass der Mensch mehr aushalten kann, als er glaubt. Wie wäre es sonst möglich gewesen, dass ich am 6.7. zwei weitere Abszesse nur in Aether-Betäubung überstand, obwohl ich das Messer bis auf die Knochen spürte.

Narkose, Morphiumspritze und Opiumtropfen aber sind und bleiben Himmelsgaben. Nur schade, dass man so wenig davon kriegt – selbst, wenn man bettelt wie ein Kind.

Während meines zweimonatigen Aufenthaltes in der Klinik habe ich viel Elend gesehen. Das hat mich einigermaßen getröstet. Dennoch war es für mich beklemmend, als einer nach dem anderen meiner Kameraden, die ebenfalls Oberschenkelschüsse mit heimgebracht hatten, in ein kleines Sonderkämmerchen geschafft wurden, um nie wieder daraus zurückzukehren.

Wehmütig sah ich ihnen jedesmal nach und dachte an mein eigenes Ende.

Mein Zustand war mittlerweile hoffnungslos geworden. Das monatelange Fieber hatte mich fast zum Skelett abmagern lassen. Den letzten Rest von Lebensmut und Lebenswillen saugte mir die mehr und mehr zunehmende Eiterung der Beinwunde aus dem Körper.

Appetit und Hunger waren längst unbekannte Begriffe. Am Rücken kam bereits das rote Fleisch durch. Ich hatte mich in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal auf die Seite drehen können. Das Feuer unter dem Fersen brannte unerträglich.

In mir war alles mürbe und müde. Ich war der Verzweiflung nahe.

 

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 1.8.