Zwischen Ruhe und Fronttätigkeit kein Unterschied mehr. Was bedeuten Witterungseinflüsse für die Artillerie?
Nach viertägiger Ruhe bin ich heute erneut zur Beobachtung gepilgert. Vorn ist rein gar nichts mehr los, so dass es schließlich gleich ist, wo man die Zeit totschlägt.
Wir haben fortgesetzt herrliches Wetter. Die große Hitze erzeugt jedoch im Aisne-Grund so starken Dunst, dass jede Sicht nach dem Feinde hin – besonders, wenn wir Gegenlicht haben – aufhört.
Das ist ja überhaupt der große Nachteil unserer gesamten Westfront gegenüber den Franzosen, dass wir meist unter erschwerten Sichtverhältnissen zu leiden haben. Des Morgens behindert uns der Nebel. Vom Mittag bis zum Abend scheint uns die Sonne ins Gesicht. Beide Male aber müssen wir gegen einen mehr oder minder starken Dunstschleier ankämpfen, während der Gegner fast zu jeder Zeit bei uns selbst die kleinste Bewegung erkennen kann.
Und mit dem Wind sieht es nicht anders aus. Er ist der natürliche Verbündete des Feindes. Mit 90% bläst er vom Westen und gibt ihm öfter, als uns lieb ist, Gelegenheit auch zu Gasangriffen, die mit Leichtigkeit bis in das Hintergelände getragen werden können. Wir selbst aber können von dieser Waffe nur selten und dann nur auf die Gefahr hin gebrauch machen, dass uns der ganze Dreck in unsere eigenen Stellungen zurückfliegt.
Kommt noch hinzu die außerordentlich starke Beeinflussung der Flugbahn unserer Geschosse, die außerdem eine Stütze in dem täglichen Wechsel der Temperatur sowie der Feuchtigkeitsgrade der Luft findet.
Dies näher kennen zu lernen, war ja der Zweck meines Maubeuger Aufenthaltes. Meines Erachtens sind wir aber erst viel zu spät und auch später als unsere Gegner hinter dieses Geheimnis gekommen – und mancher Fehlschuss ist entstanden, ohne dass wir eine Erklärung dafür fanden.
Jetzt gibt es umfangreiche Tabellen und Rechenexempel, die theoretisch bis aufs feinste ausgeklügelt sind und fast eine Wissenschaft für sich bilden. In ruhigen Zeiten werden wir daraus sicher Vorteile ziehen; in der Hitze des Gefechtes unterscheidet sich jedoch – wie in so manchen anderen Dingen des täglichen Lebens – auch hier draußen die Theorie meist von der Praxis. Und ich denke, wir lassen es da ruhig beim Alten.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 19.6.