Glänzende Erfolge mit vorgezogener Beobachtung und Geschützstellung
Gegen 7 Uhr morgens erhalten wir Befehl, eine Fernsprechleitung nach einer uns neu zugewiesenen Stellung eineinhalb km vorwärts der alten zu strecken. Überall treffen wir große Geschäftigkeit an.
Die Feldartillerie hat sich mit ihren Geschützen dicht hinter die Schützenlinie eingegraben, da ein in der Nacht unternommener erneuter Sturmangriff unserer Infanterie einen kleinen örtlichen Erfolg gebracht hat und weiter ausgebaut werden soll.
Nachdem wir aus unserer alten Stellung noch einige Schuss (mit 4500-5600m Entfernung) verfeuert haben, bereiten wir gegen 9 Uhr vormittags ebenfalls Stellungswechsel vor.
Um 10 Uhr rücken wir etwa 600m näher an den Feind heran. Die Beobachtung ist inzwischen bei der Infanterie untergekrochen und genießt von dort aus einen vorzüglichen Einblick in die Talmulde jenseits des Kanals, in der zahlreiche französische Batterien stehen.
Leider reicht unsere Schussweite nicht aus, um hineinzufunken. Auch eine feindliche Flachbahnbatterie am gegenüberliegenden Bergesabhang, die uns schon viel zu schaffen machte, liegt noch weit ab. Das Ziel reizt uns aber schließlich so, dass wir einen Gewaltstreich wagen.
Wir schleifen unser 1. Geschütz bis auf die vorliegende Höhe, etwa 1000m von den feindlichen Linien entfernt und rollen mit dem Beobachtungswagen im sausenden Galopp noch eine Verbindung nach der rückwärtigen Beobachtung ab. Dann geht der Rummel los.
Innerhalb einer Viertelstunde – noch ehe die Franzosen überhaupt zur Besinnung kommen – gelingt es uns, die Flachbahnbatterie mit einer Entfernung von 5925 bis 5975 m schachmatt zu setzen. Zwar erhalten wir zum Schluss von anderer Seite ebenfalls Feuer; doch bleiben wir glücklicherweise unversehrt.
Durch den glänzenden Erfolg noch dreister geworden, ziehen wir sogar das 2. Geschütz mit nach vorn, währenddessen Leutnant F. auf Patrouille reitet. Von den vordersten Schützengräben aus erkennt er feindliche Unterstände, die er auf eigene Verantwortung unter Feuer nimmt. Das Ergebnis ist verblüffend. Etwa ein halbes Bataillon französischer Infanterie kommt schon nach den ersten Schüssen zum Vorschein und flüchtet in wilder Unordnung davon. Erst gegen 8 Uhr rüsten wir langsam zum Rückzug. Eine Stunde später – bei Einbruch der Dunkelheit – stehen beide Geschütze wieder in der alten Stellung.
Die Dachbeobachtung wird übrigens aufrechterhalten, denn die Beobachtungsmöglichkeiten sind hier knapp. Das hat seine Ursache in der Hauptsache darin, dass die vor unseren Artilleriestellungen befindliche Höhe 91, von der aus ein tadelloser Einblick in das feindliche Gelände möglich wäre, nicht mehr besetzt werden kann, weil sie von den Franzosen dauernd unter heftigem Feuer gehalten wird. Der Versuch am 16., uns dort einzunisten, hat ja deutlich genug gezeigt, wie nutzlos ein solches Beginnen ist. Darum müssen wir uns mit ungenügendem Ersatz seit- oder rückwärts oder unmittelbar bei der Batterie begnügen.
Bereits den 7. Tag kämpfen wir nun um die feindliche Stellung am Aisne-Kanal nördlich Reims. Hätten wir unsere weittragenden Kanonen – die 10cm mit 10300m und die 13cm mit 14400m Schussentfernung – hier, so würden wir sicher ein ganzes Stück weiter sein. So aber ist jeder Vorstoß von uns ohne vorherige ausreichende Bekämpfung der zum Teil auf den Höhen stehenden – ebenfalls weittragenden – feindlichen Batterien ein Wagnis, das nur unter den größten Opfern Aussicht auf Erfolg haben kann.
10 Uhr abends. Das Wetter war den ganzen Tag sonnig, so dass auch unsere Kleider trocknen konnten. Jetzt beginnt es wieder zu regnen. Zur Belohnung für die heutigen Anstrengungen dürfen wir auf unser Mittagessen verzichten. Ich bekämpfe diesen seltsamen Widerspruch mit einem Stück trockenen Brotes, das ich noch in meinem Brotbeutel vorfinde — und haue mich dann aufs Ohr.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 19.9.