Nochmals Beobachtung auf Höhe 91 und Beschießung feindlicher Stellungen bei Berry auf Bac. — Auch wir erhalten unseren Teil.
Aufstehen 7 Uhr vormittags. Schlaf gestört durch Kälte.
Die Hausbeobachtung wird halb 8 Uhr besetzt. Bei uns befindet sich heute der Stab unseres Bataillons. Wir haben Verbindung mit der eigenen und auch der 4. Batterie aufgenommen. Das Feuer auf den Feind wird viertel nach 9 Uhr vormittags eröffnet.
12 Uhr mittags: Wir haben erst 2 Salven abgegeben, ohne sie im Gelände wiederzufinden.
Um außer der bereits bestehenden rückwärtigen noch eine seitliche Beobachtung zu erlangen, sollen wir jetzt nochmals nach der schon oft erwähnten und stark beschossenen Höhe 91. Die Offiziere sind bereits vorgeritten. Hoffentlich brauchen wir diesmal unsere Knochen nicht auf dem Schlachtfelde zusammenzusuchen.
Die Batterie gräbt sich festungsmäßig ein, da es aller Voraussicht nach hier zum Stellungskriege kommen wird. Beim Feinde stellt man ebenfalls überall stärkere Befestigungen fest.
3 Uhr nachmittags: Die Leitung nach Höhe 91 (2km lang) ist gelegt. Ich befinde mich selbst auf der Beobachtung.
Auf der Höhe steht ein kleines Wäldchen mit niedrigem Buschwerk und einigen größeren Bäumen, die aber von den feindlichen Granaten bereits restlos zerfetzt sind. Am rückwärtigen Waldessaum befindet sich jetzt der letzte geschlossene (also der vorderste) deutsche Schützengraben. Etwa 50m davor – am vordersten Waldrand – sind noch 3 Unterstände für Infanterievorposten ausgehoben.
In einem dieser Unterstände haben wir die Beobachtung untergebracht. Es ist nur ein enges Loch von etwa 1 1/2m Länge, 75cm Breite und 1 1/4m Tiefe. Darin hausen wir zu 4 Mann.
Wir haben einen vorzüglichen Ausblick und können u.a genau die Arbeiten in den französischen Schützengräben jenseits des Kanals, welcher die Grenze zwischen den feindlichen und deutschen Truppen bildet, sehen.
Nachdem wir den Ort Berry au Bac mit gutem Erfolg beschossen haben, verlegen wir das Feuer auf diese Schützengräben. Die Schüsse liegen auf einer Entfernung von 3800m sofort ausgezeichnet. Wir brauchen nur noch etwas nach links und rechts zu streuen, um die ganze Gesellschaft auszuräuchern.
Rechnen wir von diesen 3800m die von uns zur Batterie gelegte 2km lange Fernsprechleitung ab, so bleiben von hier aus höchstens 1800m bis zu den Gräben der feindlichen Hauptstellung. Davor befinden sich aber – wie bei uns – weitere vorgeschobene Gräben und Vorpostenstellungen, so dass wir augenblicklich zwischen Freund und Feind sitzen.
Bei einer unglücklichen Bewegung unseres Beobachters mit dem Scherenfernrohr müssen wir gesehen worden sein. Plötzlich erhalten wir von drüben Granatenfeuer.
Ringsum schlagen die Geschosse ein und zerbersten mit lautem Krach. Die Eisensplitter zischen und pfeifen über unser enges Loch hinweg. Die Erde spritzt dicht bei uns hoch. Baumstämme und Zweige wirbeln durch die Luft. Unsere Lage ist wenig beneidenswert. Da wir aber täglich mehr oder minder unter feindlicher Beschießung zu leiden haben, besitzen wir schon gar nicht mehr das rechte Gefühl für die Größe der Gefahr und denken schließlich: “Es wird schon gut gehen!”
Halb 6 Uhr nachmittags: Auch diesmal waltet ein Schutzengel über uns. Nachdem das feindliche Feuer schwächer geworden ist, können wir unsere Beobachtung unbeschadet verlassen. Unsere Tagesaufgabe ist zudem erfüllt.
Die Kabel bleiben für spätere Fälle liegen. Ob es Zweck hat, glaube ich allerdings kaum; denn auch bei unserer gestrigen vorgeschobenen Schützengraben-Beobachtung wurden wir an der Durchgabe unserer Feuerbefehle nur deshalb mehrfach verhindert, weil das Kabel – wie sich beim Aufrollen herausstellte – mindestens 10 zerschossene Stellen aufwies.
Heute war es nicht anders. Die Leitung musste während des feindlichen Feuers auf unser Wäldchen von Unteroffizier B. Und mir wiederholt geflickt werden. “Ja, da kann man laufen lernen, wenn man auch nicht will!”
Um halb 7 Uhr nachmittags landen wir in unserer alten Hausbeobachtung. Das Mittagessen ist inzwischen kalt geworden. Mir selbst wird jedoch eine besondere Freude zuteil. Ich erhalte mit der Feldpost zwei Liebesgabenpakete mit Zigarren – beide aus Witten. Auf etwas Rauchbares habe ich mich schon lange gefreut, denn hier ist nur für teures Geld etwas aufzutreiben.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 20.09.