Neue Eiserne Kreuze. Jahrestag des Eintritts in das Heer.
Am Morgen gibt es nichts besonderes. Für 12 Uhr mittags ist Appell angesetzt. Dabei wird bekanntgegeben, dass von 3 bis 4 Uhr nachmittags Exerzieren stattfinden soll.
Ich kann mich an dieser Leibesübung nicht beteiligen, da ich von 4 bis 10 Uhr abends für das Bataillon zum Befehlsempfang nach dem Ortskommandanten muss. Die Ortskommandatur ist vom 11. Jägerbataillon errichtet.
10 Uhr abends werde ich – ohne dass ein Befehl ausgegeben wurde – abgelöst und kann wieder den heimatlichen Penaten zustreben.
Ich nehme die Beine in die Hand, denn draußen regnet es schon den ganzen Tag. Hier und da leuchtet mir eine Gaslaterne auf den Weg. Im übrigen ist es stockdunkle Nacht und ich würde Mühe haben, mich zurechtzufinden, wenn ich mich nicht in den 2 Tagen meines Hierseins bereits um jeden Winkel des Ortes gekümmert hätte.
Beim Betreten des freundlich erleuchteten und erwärmten Zimmers meines Quartiers bekomme ich große Augen. An langer, weiß gedeckter Tafel sitzen die Kameraden – vor sich eine Weinpulle neben der anderen – in angeregter Unterhaltung.
Zwei Ereignisse besonderer Art werden gefeiert.
Seargant H. und Unteroffizier O. haben das Eiserne Kreuz erhalten.
Für die Leute aus dem 1913er Jahrgang aber gilt es, des Eintrittes in den Militärdienst vor einem Jahre zu gedenken. Ich tue dies mit gemischten Gefühlen; denn wie sehr hatte ich mich früher auf diesen Festtag gefreut, an dem aus dem “Hammel” ein “alter Mann” und aus der “kurzen Mutze” eine lange “Reservepfeife” werden sollte. — Und nun ist alles ganz anders gekommen.
Wir selbst sind leider immer noch große “Nullen”, Gefreite und Obergefreite aber nach wie vor “hohe Tiere”, mit denen wir meist nur in der “3. Person” verkehren können, vor denen wir ferner – je nach ihrer Stimmung und Laune – noch die Knochen zusammenreißen müssen.
Je weiter wir uns aber von den militärischen Rängen entfernen, desto größer ist die Kluft, die uns innerlich trennt und selbst durchd ie gemeinsame Gefahr nicht immer überbrückt wird. Und hinter der Front verdrängt der alte Kasernenton und Drill gar schnell die Meinung, als seien wir überhaupt noch im Krieg.
Werden wir unter solchen Umständen jemals die Freuden des 2. Jahrganges erleben?
So aber oder so, auf alle Fälle bleibt der heutige Tag für uns ein Abschnitt, dessen wir uns erinnern dürfen. Der Wein verwischt gar bald die Bitterkeit – und erst um 11 Uhr steigen wir in die Klappe.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 17.10.