1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

16.9.1918 Die letzten Tage im Lazarett

/ / Wieder in der Heimat - 26.3.-3.10.1918

Würde mir die Auszeichnung heute in der gleichen herabsetzenden Weise überreicht werden, ich würfe sie dem Überbringer bestimmt an den Kopf.

Und ich würde es sogar über mich bringen, diesem oder jenem Stabsarzt ins Gesicht zu lachen, der von mir wünschte, dass ich im Bett bei der Visite in strammer Haltung – die Hände an der Beinnaht – liegen solle.

Oder ich würde mich nicht scheuen, trotz allerhöchsten Verbotes auch die Straßen Göttingens zu betreten, die nur als Promenade für bessere Herrschaften männlichen und weiblichen Geschlechtes zugelassen waren, denen man die Daseinsfreude durch den “ewigen” Anblick von Verwundeten nicht mehr vergällen wollte.

Warum musste dieses und tausenderlei anderes nur sein?

Wir suchen krampfhaft nach einer Erklärung, weshalb der Krieg eines Tages aus war, ohne dass wir zuvor den Sieg an unsere Fahnen heften konnten. In all diesen Zuständen, die ich hier oder an anderer Stelle geißeln musste, liegt ein Teil der Ursachen für den Zusammenbruch unseres Heeres mit, der am 9. November 1918 kam, ohne dass mir noch einmal das “Glück” blühte, wieder an die Front zu müssen.

Denn das steht für mich außer Zweifel: Wäre ich rechtzeitig gesund geworden, die Front hätte mich erneut unerbittlich an sich gezogen. Für mich wäre der Befund “k.v.” selbstverständlich gewesen, während hunderttausend andere nach wie vor die Heimat als “unabkömmlich” hüteten.

Auch dieses System war unerträglich und musste auf die Dauer die Früchte und Auswüchse zeitigen, die die spätere Revolution leider mit sich brachte. Ich bin der Letzte, der sie billigt. Doch ist es rein menschlich verständlich, dass die Jahr um Jahr und Tag um Tag mit Unvernunft getretene Volksseele früher oder später erwachsen und ihre Fesseln abschütteln musste, um mit gleicher Münze heimzuzahlen.

 

Der letzte Tagebucheintrag folgt am 3.10.