Als Batterieoffizier in der Geschützstellung im Park von Bussu. Die vielen Ratten und Läuse.
Gestern morgen erhielt ich unerwartet den ehrenvollen Auftrag, in der Geschützstellung den Batterieoffizier abzulösen.
Heute habe ich mich bereits eingelebt. Die Unterkunft für die Geschützbedienung – in Stollen – ist gut. Geschossen wird zurzeit nur wenig, da wieder dicker Nebel über dem Gelände liegt und außerdem auch die Tätigkeit der feindlichen Artillerie nachgelassen hat.
Trotzdem gibt es manches zu tun.
Es kommen Lebensmittel, Munition, Baumaterialien und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Sie müssen verteilt oder untergebracht werden.
Der Ausbau der Stellung geht weiter rüstig vorwärts – trotzdem wir allem Anschein nach rückwärts gehen werden!!
Hier wird an neuen vertieften Mannschaftsstollen gearbeitet, dort werden schusssichere Munitionsunterstände in die Erde getrieben. Und im Dorf sind für die 3. Tagesrate Kellerräume freizumachen und abzusteifen.
Das Wesentlichste ist aber, dass während des Gefechtes die Feuerbefehle der Beobachtung richtig ausgeführt werden.
Endlich kann ich einmal etwas freier schalten und walten und – uneingeengt von Vorgesetzten – eigene Ideen in die Tat umsetzen. Und gerade das ist mir eine besondere Freude und ein langentbehrtes Bedürfnis.
Wenn es nicht zufällig “Zunder” gibt, so dass wir nicht nur auf die dunklen Bunker angewiesen sind, lässt es sich übrigens hier vorn auf der Südwestecke des Parkes von Bussu ganz gut aushalten.
Eine weniger angenehme Beigabe sind die vielen Ratten, die in den zahlreichen Schlupfwinkeln des zerschossenen Ortes auch in unseren Unterständen sich übergenug herumtreiben.
Für unsere Lebensmittel gibt es kaum noch ein sicheres Fleckchen. Sie hängen in Beuteln an dünnen Bindfäden an der Decke des Stollens, was aber einige ganz Unverschämte nicht hindert, plötzlich mit dem gesamten Vorrat lustig durch die Luft zu schaukeln.
Die Biester sind eben frech wie Straßendreck. Des Nachts fegen sie uns schnell mal über die Nase, und oft genug kommt es auch vor, dass wir unwillig unseren Nachbarn zur Rechten oder Linken in die Rippen stoß´n, weil wir ihn in der Schlaftrunkenheit für den Ruhestörer hielten.
Natürlich bekämpfen wir die Langschwänze in unseren Mußestunden, wo wir können. Gestern gelang es uns sogar, eine feiste Alte, gerade als sie zwischen den Stollenrahmen über unsere Köpfe hinweg nach einer Büchse “heldenfett” schielte, mit dem Seitengewehr aufzuspießen. Andere dagegen gaben draußen in den Laufgräben und Geschützständen schon wiederholt Gelegenheit zu Zielübungen mit dem Karabiner. — Aber restlos vertilgen lässt sich dieses Kruppzeug nicht.
Es geht uns damit, wie mit den Läusen, die trotz täglicher, ausgiebiger Razzia immer wieder da sind, als wollten sie beweisen, dass ihnen selbst die größte menschliche Raffinesse nicht gewachsen sei. Dabei haben diese Gesellen noch die besonders unangenehme Eigenschaft, dass man sie tagsüber kaum spürt, während sie des Nachts umso toller beißen und uns den Schlaf fast unmöglich machen.
Stundenlang können wir uns mit ihnen die Zeit vertreiben; denn endlos ist die Reihe dieser Schmarotzer, die wir aus den zahlreichen Falten und Fältchen unserer Hemden und Unterhosen hervorholen, um ihnen zwischen den Nägeln unserer beider Daumen das Lebenslicht auszublasen.
Je lauter es dabei knickst und knackst, desto befriedigter strahlen die Gesichter.
Neulich verging mir allerdings der Appetit.
Es war mir gelungen, einen ganz besonders fetten Bissen – anscheinend den Stammvater der ganzen – zu erwischen. Das Fingernagel-Schafott trat mit doppeltem Genuss in Tätigkeit. Aber diesmal bekam nicht nur die Laus, sondern auch ich meinen Teil ab.
Ehe ich mich versah, spritzte mir mit einem Mal der ganze Salat – das Knochengerüst mitsamt dem Eingeweide – mitten ins Gesicht.
Da hatte ich dann für einige Tage die Nase buchstäblich voll — und fing gleich an, zu philosophieren: “Für die unwichtigsten und unwahrscheinlichsten Dinge werden heute Befehle erlassen. Man sollte lieber den Ratten und Läusen den Aufenthalt an der Front verbieten – und sie unseretwegen nach der Heimat beordern. Dann wäre uns hier draußen um vieles wohler – die Drückebergerei zu Hause aber vielleicht um 50% geringer!”
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 22.2.