Weihnachten und Neujahr liegen hinter uns. Der Krieg ist eingeschlafen. Die Scheidewand zwischen “Volks”- und “höherer” Schulbildung.
Die Vertretung des Feldwebels liegt hinter mir. Ich habe eine ruhige und angenehme Zeit verlebt. Alles blieb in bester Ordnung und auch im alten Gleise. Selbst der Batterieführer war diesmal mit mir zufrieden.
Die Weihnachtsfeier am 24.12. reihte sich würdig den früheren an. Sie bestand aus Theater-, Musik- und Gesangsvorträgen in einem eigens dazu errichteten großen Zelt und nahm einen harmonischen Verlauf. Festessen: Frikadellen und Kartoffelsalat.
Selten herrschte auch eine so gute Stimmung, wie an dem diesjährigen Neujahrstage.
Kein Wunder. Lassen doch die Verhandlung in Brest-Litowsk auf ein baldiges gutes Ende dieses Völkerringens schließen und geben sie uns damit die schwache Hoffnung, dass wir wenigstens das nächste Weihnachts- und Neujahrsfest wieder einmal in der Heimat verleben werden.
Wir genießen zurzeit einen prächtigen Winter. Die anhaltende Kälte sorgt dafür, dass wir nicht im “Matsch” verkommen.
Überhaupt, weder vorn noch hinten merkt man im Augenblick viel vom Krieg. Kartenspiel, Rauchen und sonstige Laster fordern wieder ihre Tribute; leider auch der “Alkohol”, der wohl stets das größte Übel aller Kriege sein und bleiben wird.
Die Beispiele, die in dieser Hinsicht von unseren Führern gegeben werden, sind allerdings nicht immer erfreulich.
Ich bin deshalb beinahe froh, dass man die neuerdings gehegte Absicht, mich wenigstens in punkto Geselligkeit in diesen erlauchten Kreis einzubeziehen, wieder fallengelassen hat. Bei meiner spärlichen Löhnung als Soldat, die ich bisher fast restlos zum Unterhalt meiner Angehörigen in der Heimat beisteuerte, wäre ich gar bald in geldliche Verlegenheit gekommen.
Warum aber stehe ich – wie viele meiner langjährigen Kriegskameraden – noch immer außerhalb dieser unüberwindlichen Mauer, die sich zwischen Mannschaften und Offizieren aufrichtet und allenfalls vielleicht zu Friedenszeiten eine gewisse Berechtigung hatte?
Vorn an der Front habe ich seit Anbeginn dieses Krieges meinen Mann gestanden. In meiner Würde als Vizefeldwebel musste ich Beobachtungs- und Batterie-Offiziersdienste übernehmen – nicht nur unter dem äußeren Zeichen des mir verliehenen “Offiziers-Portepées“, sondern – das darf ich ohne Überhebung behaupten – auch mit der ganzen inneren Verantwortlichkeit dieser Ämter – und nicht zuletzt an Tagen, die einen ganzen Menschen forderten.
Die in diesen Überlieferungen liegenden Irrtümer aber haben leider schon oft genug Unheil gestiftet und werden sich, je länger der Krieg dauert, immer stärker auswirken — während sie bei denen, die es angeht, nur ein Gefühl der Bitterkeit auszulösen vermögen.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 13.1.
P.S.: Die Zwischenbemerkung sollte ein weiteres Dankeschön an Sie, die Leser werden, ging aber im Weihnachtsstress krankheitsbedingt unter. Kommt dann in der nächsten größeren Pause 😉