Marsch über Congy. Schwere Angriffe der Franzosen bei Joches. In der Nacht weiter zurück.
Es ist unheimlich, was von den Mannschaften und Pferden gefordert wird. Wer weiß, welcher Marsch und welch heißes Ringen uns auch heute wieder bevorsteht. Dem letzteren sehen wir mit Ruhe entgegen – vor dem Marsch haben wir nachgerade ein Grauen.
Unsere Fahrzeuge sind zum Transport von Geräten, Munition, Lebensmitteln und Mannschaften bestimmt. Während des Vormarsches durften wir hin und wieder aufsitzen. In den letzten Tagen hat sich aber das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mannschaften mehr und mehr zugespitzt und schließlich dahin ausgewirkt, dass die Erlaubnis zum Aufsitzen nur noch selten – fast möchte ich sagen, aus einer guten Laune des Batteriechefs heraus – erteilt wird.
“Bergauf müssen die Pferde geschont werden – bergab die Bremsklötze!”. So sucht man die Notwendigkeit unseres Fußmarsches zu begründen. Und auf ebener Straße vergisst man geflissentlich den Ausgleich.
Was es aber bedeutet, den ganzen Tag in glühender Sonnenhitze und in dicke Staubwolken eingehüllt, oft im Galopp und dann wieder im Schneckentempo, hinter den Fahrzeugen herzutraben, muss man erst am eigenen Körper erfahren haben, um es recht beurteilen zu können. Die Zunge klebt am Gaumen. Schweiss und Dreck verkleistern die Poren und brennen wie Feuer. Die schweren Stiefel bekommen Zentnergewicht. Und selbst der Karabiner wird uns lästig. Er rutscht von links nach rechts, von vorn nach hinten. Dort, wo der Riemen einschneidet, ist schon alles blau und grün. Unter dem dicken, feldgrauen Rock aber dampft es wie in einem Vulkan.
Kommt noch hinzu der quälende Gedanke, dass uns das stets unmittelbar vor der Nase herumtanzende Gefährt ungerechterweise gerade von denen vorenthalten wird, die selbst zu Pferde sitzen.
Dieses jedoch nur nebenbei! Das Recht zur Kritik steht uns nicht zu. Trotzdem mache ich mir meine Gedanken. Und ich werde das Gefühl nicht los, als ob diese kleinlichen Schikanen nur der Ausfluss einer plötzlichen Nervosität seien, die unsere Führer ergriffen hat. Bisher konnten wir den Feind stets vor uns herjagen. Jetzt scheint er festen Fuß gefasst zu haben und den Spieß umzudrehen.
Das Gefecht tobt hier bereits den 3. Tag. Auf deutscher Seite kämpft das X. Armeekorps Gegen eine mehrfache Übermacht. Es wurde unter schweren Verlusten Schritt für Schritt zurückgeworfen. Heute sind wir zur Verstärkung eingesetzt worden, um zu retten, was noch zu retten ist.
11 Uhr vormittags gehen wir südlich von Congy in Stellung. Wir kommen hier jedoch nicht zum Schuss, sondern rücken 2 Stunden später weiter vor und nehmen gegen halb 4 Uhr nachmittags zu 2 Batterien Fußartillerie und 3 Batterien Feldartillerie Aufstellung in einer Talmulde. Links von uns und etwas rückwärts stehen die beiden anderen Batterien unseres Regimentes.
Wir sind ohne jede Deckung. Der Feind muss uns ohne Mühe erkennen; denn schon nach wenigen Schüssen schickt auch er seine eisernen Grüße zu uns. Aber, oh Wunder, von etwa 30 Granaten explodieren nur 4, ohne Schaden anzurichten. Die anderen verpuffen wirkungslos als Blindgänger im Sand.
Und das ist gut so. Unsere Infanterie vorn verlangt dringend unsere Unterstützung. Immer und immer wieder stürmt der Feind an. Meldegänger hetzen hin und her. Neue Kompagnien werden in den Kampf geworfen. Nur ein schmaler Weg führt über sumpfiges Gelände zu den vordersten Linien. Wer hindurch muss, geht einen Höllenweg.
Gegen 5 Uhr nachmittags ist die Schlacht noch in vollem Gange. Es wird erbittert gerungen. In dem vor uns liegenden Dorf Joches knattern und rattern seit Stunden die Gewehre und Maschinengewehre. Zahlreiche Verwundete bahnen sich mühsam den Weg zurück. Einzeln und in Gruppen zu zweien oder dreien. Oft mühselig in einander gekrampft und in blutige Fetzen gehüllt. Ihr Blick ist müde und abgestumpft; ihr Körper eine Maschine, die mit letzter Kraft rückwärts rollt.
Beißender Qualm liegt auf dem Dorf. Aus den brennenden Gehöften zischen und prasseln die Flammen zum Himmel. Dazwischen bellen heiser die Geschütze der Feldartillerie, und das dumpfe Gedröhn unserer schweren Haubitzen vervollständigt die schaurige Musik – die auch auf die stärksten Nerven nicht ohne Eindruck bleibt.
Leider vermögen wir aber den Angriff des Feindes nicht aufzuhalten. Halb 6 Uhr nachmittags stellen wir das Feuer ein. Nach einer halben Stunde kommt der Befehl zum Abmarsch und zwar wiederum zurück in nordwestlicher Richtung.
Der nächste Beitrag folgt am 9.9.