Gespannte Lage. Abendsegen des Feindes. Zeitungen aus der Heimat. Stellungswechsel rückwärts.
4 Uhr morgens: Der Feind versuchte gestern einen erneuten Durchbruch, der von uns aber abgeschlagen wurde. Da die Lage noch bedenklich erscheint, und mit einer Wiederholung der Angriffe gerechnet wird, bleiben Batterie und Beobachtung besetzt. Die Geschütze sind geladen und auf eine Brücke eingerichtet, über die der Feind gegebenenfalls anmarschieren muss.
General. Schw. vom VII. Armeekorps (Anmerkung: vermutlich Generalleutnant Max Schwarte) befindet sich selbst in den vordersten Gefechtsreihen, die verhältnismäßig nur schwach besetzt sind. Sie sollen auch nicht mehr als Angriffsstellung, sondern nur dazu dienen, den Feind solange zu beschäftigen, bis die vorstoßenden beiden deutschen Seiten-Armeen die französischen Streitkräfte umfasst haben.
Ich bin seit 2 Uhr nachts am Fernsprecher der Beobachtung auf Wache.
Während links von uns lebhaftes Geschützfeuer zu hören ist, meldet der Batterie-Fernsprecher aus unserem Abschnitt völlige Ruhe.
Nur ab und zu fällt ein Schuss von unserer eigenen Feldartillerie, die das übliche Störungsfeuer unterhält. Diese Taktik ist im Stellungskriege notwendig.
Der Feind tut ein Gleiches. Er beschränkt sich jedoch – wie schon einmal erwähnt – meist auf ein um die Dämmerung einsetzendes Schrappnellstreufeuer und stört uns während der Nacht kaum. Da wir unter solchen Umständen Gelegenheit haben, uns auf den regelmäßigen Abendsegen rechtzeitig einzustellen, kann er uns nicht viel anhaben.
12 Uhr mittags: Die Nacht ist in unserem Abschnitt wider Erwarten ruhig verlaufen. Draußen bläst seit dem frühen Morgen ein empfindlicher Ostwind. Die September-Sonne vermag dagegen nicht mehr anzukämpfen. Und ebenso geht es unserem Ballon, der vom Sturme hin- und hergewedelt wird und seine Tätigkeit bald wieder einstellen muss.
4 Uhr nachmittags: Wir ziehen augenblicklich unsere Geschütze aus der bisherigen Stellung und bringen sie 500m weiter rückwärts hinter den Bahndamm. Von dort soll ein Brückenübergang beschossen werden – zur Vorbereitung und Unterstützung eines für heute oder morgen geplanten Vorstoßes auf der ganzen Linie.
6 Uhr nachmittags: Es ist alles gut gegangen. Die Geschütze konnten in die neue Stellung gebracht werden, ohne feindliches Feuer zu erhalten. Ebenso wurde die Fernsprechverbindung von uns hergestellt.
Wir haben uns bereits eingeschossen und warten nun auf weiteren Befehl. Doch wird uns die Zeit nicht lang. Eine im Laufe des Nachmittages aus der Heimat (Witten) eingetroffene Zeitungssendung sorgt für Zerstreuung. Sie löst allgemeine Befriedigung aus, da wir durch sie endlich wieder einmal etwas über den Stand der Dinge im deutschen Vaterlande und an den Fronten erfahren. —Wir verschlingen die Zeilen, als wollten wir die Druckerschwärze mitfuttern.
Währenddessen knallt die Feldartillerie in Gruppen zu 6 Schuss und ruft uns in die Wirklichkeit zurück. Wird es bald losgehen?
Halb 9 Uhr abends: Der Angriff hat nicht stattgefunden. Wir begeben uns zur Ruhe.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 26.9.