Morgens 2 Uhr Ankunft in Brancourt. Schlacht bei Laon. Weitermarsch über Moulin de Laffaux, Crouy bis Soissons.
7 Uhr vormittags: Es ist geradezu lächerlich, mit welcher Eile der Feind flieht.
An der Stelle des Übergangs über den Kanal bei Liez wurde uns gesagt, dass wir noch einen Marsch von über 15 km zurücklegen sollten. Die Scahe ist aber doch ein klein wenig anders gekommen; denn wir sind nicht nur 3 Stunden, sondern bis heute morgen 2 Uhr – also noch rund 7 Stunden – ohne Aufenthalt durchmarschiert. Dann endlich machten wir in Brancourt halt.
Die Pferde waren bis aufs äußerste erschöpft – wir nicht minder. So freuten wir uns von Herzen, dass wir schließlich in dem an allen Ecken brennenden Dorf noch ein einigermaßen heiles, von den Bewohnern verlassenes Gehöft fanden, in dem wir zu 8 Wagenbedienungen Alarmquartier beziehen konnten.
Der Alarm blieb glücklicherweise aus, obwohl der Feind nach erbittertem Kampf erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit hinausgeworfen worden war und das Gewehrfeuer unweit des Dorfes während der Nacht nicht zur Ruhe kommen wollte. Seit 6 Uhr sind wir aber wieder munter. Die 4 Stunden Ruhe haben Wunder gewirkt.
Jetzt warten wir auf weitere Befehle. An uns ziehen dauernd deutsche Truppen – Infanterie und Kavallerie – vorüber.
Viertel nach 7 Uhr vormittags verlassen auch wir den Ort. Der Himmel ist wieder sonnig und klar. Es geht in südlicher Richtung weiter, so dass wir der Ansicht zuneigen, dass wir von der Hauptrichtung “Paris” längst abgekommen sind und nunmehr einen Flankenangriff gegen die im Süden stehenden Truppen unternehmen sollen.
Vorläufig ist aber weit und breit kein Rothose zu sehen.
Sollte daran – wie schon von vielen Gefangenen versichert wurde – zum guten Teil die Angst vor unseren blauen 84-Pfündern Schuld tragen? Die Wirkung dieser Geschosse muss nach ihren Aussagen furchtbar sein. Wo sie hinfallen, wächst kein Gras mehr!
Die Festung Laon, die wir heute beschießen sollten, ist unter diesen Umständen – genau wie die Festung La Fêre – von den Fanzosen wiederum kampflos im Stich gelassen worden.
2 Uhr Nachmittags: Wir sind vor 2 Stunden nördlich von Moulin de Laffaux (In der Nähe von Allemant) in Stellung geangen, um ein Fort südlich der Festung Laon zu bekämpfen, liegen aber immer noch bei unseren Geschützen, ohne bis jetzt das Feuer eröffnet zu haben.
Viertel vor 3 Uhr Nachmittags: Das Fort ist, wie wir inzwischen erkundet haben, unbelegt. Ein sonderbarer Krieg!
Halb 6 Uhr nachmittags: Abmarsch in südwestlicher Richtung über Crouy nach Soissons. Ankunft dort 9 Uhr abends. Quartier in einer Fabrik und in Häusern.
Die etwa 60.000 Einwohner zählende Stadt hat stark gelitten. In der Hauptstraße sind viele Fenster und Türen zertrümmert, Läden geplündert und Häuser abgebrannt, während eine der großen Brücken über den “Canal de l’Aisne” gesprengt wurde. Es gibt kaum einen Platz, der nicht mit deutschen Truppen belegt ist.
Infolge der in Belgien und Frankreich gemachten reichen Kriegsbeute ist vom A.O.K. Bestimmt worden, dass wir mit Rückwirkung vom 21.08.1914 eine Feldzulage von 50 Pfennig täglich zu unserer Löhnung erhalten sollen. Da wir auf dem Marsch fast keine Gelegenheit zum Ausgeben haben und auch hier in Soissons die wenigen noch mit Waren gefüllten Läden verschlossen finden, werden wir wohl bald im Gelde schwimmen.
Ehe ich meine heutigen Ausführungen schließe, noch ein paar Worte zur “Geschäftsordnung”:
Mein erstes Notizbüchlein ist gefüllt. Tag um Tag eilte der Stift über die Seiten. Freud und Leid hat er getreulich festgehalten. Dass dies überhaupt möglich war, verdanke ich in erster Linie der Kurzschrift. Sie war mir zu allen Zeiten ein treuer Weggenosse.
Wie aber wird sich nun das nächste Büchlein gestalten? Werden Wille zum Sieg und Kriegsglück uns weiter gen Westen tragen? Und werde ich vor Schlimmerem als bisher bewahrt bleiben?
Ich gehe mit dem besten Vertrauen auf die Zukunft ans Werk. Glückauf!
Der nächste Beitrag folgt am 3.9.