Rast in Oderberg. Das gestohlene Schnapsfass. Im “Lausoleum”.
Nach ununterbrochener Nachtfahrt morgens halb 8 Uhr Ankunft in der österreichischen Grenzstation Oderberg.
Hier gibt es vierstündigen Aufenthalt und Verpflegung. Die Pferde werden aus den Wagen gezogen und bewegt. Ihre Gelenke sind vom langen Stehen steif geworden — die unseren nicht minder. Bald aber springt alles wieder lustig und froh herum.
Für das Unteroffiziers-Korps schiebt sich zunächst ein kleines Reise-Nachspiel ein.
Auf der Bahnfahrt war aus dem Marketenderwagen ein Schnapsfässchen verschwunden, das sich die Herren Offiziere als Andenken mit nach Deutschland zu nehmen gedachten. Wer es geklaut, weiss ich nicht. Auf alle Fälle aber hatten sowohl ich wie die anderen Kameraden eine so große Portion davon abbekommen, dass auf einmal die “ganze Batterie schief stand”.
Ich kann den Zorn des Batterieführers und die Enttäuschung der anderen Herren durchaus verstehen. Da aber trotz strengen Verhörs und moralischer Standpauke nichts aus den Beteiligten herauszuholen ist, muss die Sache mit einem schmerzlichen Bedauern zu den Akten gelegt werden. Und letzten Endes wird es wohl dem Schnaps egal gewesen sein, wer ihn getrunken — die Hauptsache ist, dass er “uns” prächtig geschmeckt hat.
2 Uhr mittags Ankunft in Oppeln.
Wir verlassen zum 2. Mal den Wagen, um in das “Lausoleum” zu steigen. Der ganze Zug wird desinfiziert. Zu diesem Zweck müssen auch die Pferde heraus.
Die Entlausungsanstalt ist ein wahrer Prachtbau und umfasst etwa 10 große Hallen. Eine von ihnen, namens Elberfeld, betreten wir. Ob die Stadt über diese Ehrung besonders erbaut sein wird, bezweifle ich allerdings.
Zunächst erhalten wir jeder 2 Kleiderbügel, 1 Netz und 1 Erkennungsmarke, ausserdem ein Paar Holzpantoffel.
Mit diesen Dingen bewaffnet, werden wir von einer großen Halle – dem Auskleideraum – aufgenommen. Hier entledigen wir uns unserer Kleidung bis auf die Unterwäsche. Die Kleidungsstücke werden in einem Heissluftraum aufgehängt, während das Lederzeug abgetrennt und in einer Schwefelkammer untergebracht wird. Wir selbst schreiten weiter und geben an einem Schalter unser letztes Hab und Gut ab.
Im Adamskostüm und nur mit einer Erkennungsmarke bekleidet, steigen wir in den Waschraum. Das Brausebad ist herrlich. Vermittelst einer ordentlichen Portion Schmierseife sind wir gar bald gereinigt.
Da es uns im Wasser so gut gefällt, wollen wir trotz mancher Aufforderung gar nicht wieder heraus. Der Badewärter weiss sich jedoch zu helfen. Er nimmt kurzentschlossen einen Schlauch und jagt die ganze Bande mit einem Stahl kalten Wassers zum Teufel. Genau wie die Feuerwehr!
Draussen werden wir mit einem Handtuch empfangen. Anstelle der abgegebenen schmutzigen Wäsche gibt es eine vollständig neue Garnitur. Wir fühlen uns darin wie neugeboren.
In diesem sonderbaren, mehr an ein Maskenfest erinnernden, Aufzug betreten wir endlich die Speisehalle. Ein jeder nimmt seinen mit der Nummer der Erkennungsmarke bezeichneten Platz ein.
Die Tafel beginnt mit einer Tasse Kaffee. Dann werden die entlausten Kleidungsstücke herausgegeben und angezogen. Darauf folgt das Mittagessen – eine kräftige Reissuppe mit Rindfleisch -, anschließend Empfang der entschwefelten Ledersachen sowie der besonders abgegebenen Wertsachen und zum Schluss eine Flasche Bier (auf eigene Kosten).
Der ganze Reinigungsprozess dauert bis halb 9 Uhr abends, so dass wir schließlich doch aufatmen, als alles glücklich vorüber ist.
Der Zug steht für uns schon wieder bereit. Diesmal sind es andere Wagen, in denen inzwischen auch die Pferde untergebracht werden. Abfahrt 10 Uhr abends.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 4.4.