Der erste Heimaturlaub. Unsere Feldpost.
Wecken: 7 Uhr. Wetter: kühl.
Mit dem Schluss dieses Monats beende ich auch das 4. Büchlein meiner “stenographischen” Kriegserinnerungen. Zudem beginnt für mich heute ein neuer Lebensabschnitt – denn ich fahre zum ersten Mal während des Krieges in Urlaub.
Bevor ich jedoch dem feindlichen Boden den Rücken kehre, möchte ich noch einer Truppe gedenken, die an der Kriegsführung zwar unmittelbar keinen Anteil hat, für uns Frontkämpfer aber nachgerade unentbehrlich geworden ist, das ist die Feldpost.
Sobald der Krieg in etwas geregeltere Bahnen kam, besonders aber, nachdem wir vom Bewegungskrieg in den Stellungskampf übergingen, dauerte es nicht lange, bis die zwischenzeitlich verloren gegangene Verbindung zwischen Heimat und Front durch sie wieder hergestellt war. Beiden Teilen zum Segen – denn die vielen Zeichen des Trostes aus deutschen Landen löste bei uns stets restlose Freude aus – und bei den Lieben daheim wurde umgekehrt die Ungewissheit über unser Schicksal wenigstens auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt.
Der Schriftwechsel aber, der sich zwischen Ost und West, zwischen mir und meinen näheren und weiteren Angehörigen, Freunden und Bekannten entwickelte, nahm bald so erheblichen Umfang an, dass mir der Überblick über ihn nur noch durch entsprechende kurze Aufzeichnungen möglich war. Diese Aufzeichnungen zeigen mir heute, dass ich in der Zeit vom 1.10.1914 bis 31.5.1915 insgesamt erhalten habe:
123 Karten, 62 Briefe, 132 Päckchen und Pakete
Also Monatlich 15 Karten, 8 Briefe, 16 Päckchen und Pakete.
Versandt habe ich 156 Karten, und 102 Briefe, also Monatlich 19 Karten und 13 Briefe.
Beiderseits meines Erachtens eine ganz ansehnliche Leistung, bei mir zumal deshalb, weil die Schreibverhältnisse im Felde nur selten bequem waren.
Während die Feldpostsendungen im Anfang bis zu 3 Wochen brauchten, erreichten sie uns jetzt schon in 3-4 Tagen.
Den lieben Feldpostlern sei’s an dieser Stelle besonders gedankt!
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 1.6.