3 Wochen Ruhe sind schlimmer als 3 Wochen Frontdienst. Je mehr Arbeit, desto weniger Verpflegung und Urlaub. Was man braucht, um 2 Tage leben zu können. Der “Koschre” Jude. Friedensbotschaft des Kaisers.
Die eben verflossene erste Hälfte des Monats Dezember hat uns viel Neues gebracht.
Die Batterie wurde am 1.12. aus ihrer Stellung herausgezogen, um sich nach den dauernden Anstrengungen an der Somme einige Tage der wohlverdienten Ruhe hingeben zu können.
Wohl ahnten wir bereits aus früheren Erfahrungen, wie diese “Ruhe” ungefähr aussehen würde. Doch unsere Befürchtungen wurden diesmal noch um ein Vielfaches übertroffen.
Heute bin ich in der Lage, mir ein abschließendes Urteil darüber zu erlauben und festzustellen, dass der Weg vom “königstreuen Soldaten” bis zum “rotesten Sozialdemokraten” gegebenenfalls nur ein kurzer ist.
Anstelle der Ruhe gab es nichts als Dienst zu Fuß und am Geschütz vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Kaum, dass die Leute Zeit fanden, ihre paar Sachen einigermaßen reinzuhalten, geschweige denn in Ordnung zu bringen.
Dazu die Inkonsequenz: “ Verkürzung der Verpflegung”
Nr 1: Als “nicht angestrengte” Ruheformation und
Nr.2: zugunsten der “Munitions”-Arbeiter daheim!!!
Das ging über meinen einfachen Muskotenverstand.
Was sollen denn unter diesen Umständen die armen Kerle machen, deren Mägen des Mittags normalerweise auf mindestens 2 vollen Kochgeschirren (das sind rund 4 Liter Essen) aus der Gulaschkanone geeicht sind und die ihre eigentlich für zwei Tage bestimmte Zweipfund-Brotration sowie sämtliche Fettigkeiten schon bisher bequem zum 1. Frühstück verzehrten? Bis jetzt fanden sich immer wieder ein paar mitleidige Seelen zur Aushilfe bereit, die selbst mit weniger großen Portionen auskamen oder aber im Laufe der Zeit das Interesse an dem Gemisch von Marmelade, Käse, Margarine, Fischfett usw. – das bei jedem Empfang löffelweise in einen Topf zusammengeschmiert wird und bald ein undefinierbares Durcheinander bildet – verloren haben.
(Nebenbei bemerkt: Das Fischfett ist eine Marke für sich. Das reinste Zaubermittel. Als Brotbelag mag es in Ermangelung eines Besseren eben noch gehen. Wenn wir jedoch eine Portion Bratkartoffeln damit herstellen wollen, so sind wir schon verratzt. Das Fett verwandelt sich in der heißen Pfanne im Nu zu Wasser – und die Kartoffeln werden nur noch braun, nachdem wir etwas Kaffeesatz daran mengen.)
Was aber soll nun aus den Überhungrigen werden, wenn selbst die Hilfsbereiten nicht mehr satt werden und helfen können?
Es wird ihnen ergehen wie jenem Juden in unserer Batterie, der seit Anbeginn seines – allerdings erst wenige Monate dauernden – Feldlebens nur “koscher” aß. Er ließ sich seine Verpflegung täglich aus der Heimat schicken und, als die Feldpost einmal über eine Woche versagte, hungerte er einfach solange, bis man ihn in die Heimat abtransportierte.
Übrigens auch ein Rezept, um dem Kriege vorzeitig “Valet” zu sagen. Nur schade, dass es schon erfunden ist. Der Nächste würde bei einem gleichen Versuche sicher wegen “Patentverletzung” 8 Tage in den Kahn fliegen.
Und doch ist dies mit der Verpflegung noch nicht der ganze Widersinn, den wir erlebten.
Wir hatten gehofft, dass während der Ruhezeit ein Teil der Mannschaften würde in Urlaub fahren können. Weit gefehlt! Gleich in den ersten Tagen kam der Befehl der vollkommenen Urlaubssperre.
Und gestern wurde dieser Befehl durch einen neuen ersetzt, welcher lautet:
“In Ruhe befindliche Formationen dürfen 10% der Mannschaften beurlauben.”
Das aber sagt man uns erst, nachdem unmittelbar zuvor angeordnet worden ist, dass wir in 2 Tagen wieder aus der Ruhe heraustreten sollen!?!
Einen Lichtblick in diese Misere warf gestern die Friedensbotschaft unseres Kaisers. Ihre baldige Erfüllung wäre wirklich die beste Lösung aller “Sonderzustände” des Krieges – teils dieserhalb, teils ausserdem!
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 20.12.