1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

12.4.1917 Endlich löst sich die Spannung

/ / Zum zweiten Mal an der Aisne 3.3.17-8.7.17

Auf der Beobachtung wird es brenzlich. Tag und Nacht Dienst. Die verfl… Läuse. 7:40 Uhr abends Generalsturm der Franzosen auf der ganzen Linie. Endlich löst sich die Spannung.

Die erwarteten Infanterie-Angriffe sind noch immer ausgeblieben. Dafür machten sich die Franzosen heute Nacht ein Vergnügen daraus, wiederum das gesamte Hintergelände in Aufregung zu halten.

Unsere Beobachtung lag dauernd unter Feuer. Wir mussten wohl oder übel abermals in unseren noch unfertigen Stollen kriechen. – Eine unangenehme Sache, denn im Stehen lässt sich’s nur schlecht schlafen.

Aber Schlaf haben wir im Augenblick nötiger als alles andere. Der Körper ist durch das ununterbrochen nun schon 7 Tage und 7 Nächte wütende Artilleriefeuer und die dadurch bedingte angespannteste Aufmerksamkeit zermürbt und zerrieben.

Dazu 3 Wochen hintereinander Nachtwache am Scherenfernrohr – da sehnt man sich nach Ruhe.

Auf den schmalen Treppenstufen konnte ich sie diesmal nicht finden. So suchte ich mir schließlich Unterkunft in einem nahegelegenen unbewohnten Erdloch – und während ich mit dem einen Bein noch halb draußen lag, begann das andere schon zu schnarchen.

Von den harten Bohlen spürte ich nichts mehr.

Selbst die verfl… Läuse waren diesmal machtlos. — Trotzdem, ich wünschte sie am liebsten zum Teufel. Sie fressen uns beinahe auf, obwohl wir jetzt mindestens 3 mal täglich “Razzia” halten.

——

Am frühen Morgen bin ich zu meinem alten Heim (der Wellblechbude) zurückgekehrt. Das feindliche Feuer hat noch immer nicht nachgelassen. Eben lag es noch auf den Gräben des linken Abschnittes (Auf Höhe 100, 91 und 108); jetzt ist es dort abgeflaut und ergießt sich mit aller Wucht auf die Stellungen unserers Abschnittes – und so wird es wohl auch heute wieder den ganzen lieben langen Tag fortgehen.

Wenn man nichts Vernünftigeres zu tun hätte, könnte man wahnsinnig werden!!

Während des Nachmittages steigert sich das Feuer – besonders im eigenen Abschnitt von der Cholera-Stellung über den Miette-Bach, Viller-Wald bis zum Viller-Berg und westlich davon – erneut zum Trommelfeuer. Gleichzeitig setzt auch ganz weit links in der Gegend von Loivre heftiges Artilleriefeuer ein.

4 Uhr nachmittags: Schon 3 Stunden hält dieser wirklich nicht mehr zu überbietende Höllenlärm an. Die Luft rollt und zittert. Die Erde bebt ihn ihren Fugen. Überall spritzt Dreck und Steinwerk in die Höhe. Dazwischen legen sich die dicken weißen Wolken der Gasgranaten, die sich träge über den Boden hinwälzen und uns oft jede Sicht rauben.

Der feindliche Angriff wird jeden Augenblick erwartet. Die Spannung wächst zur Siedehitze. DIe aufgepeitschten Nerven schreien nach Erlösung.

Wann und wo wird es endlich losgehen?

7:40 Uhr abends. Nach immer weiterer Feuersteigerung – die bisher an der Bekämpfung unserer Artilleriestellungen und Anmarschwege beteiligten feindlichen Batterien haben nach und nach ihren Granathagel ebenfalls auf die Gräben verlegt – tauchen plötzlich weit links von uns, etwa in der Gegend von Reims, rote und grüne Leuchtkugeln auf. Der Angriff muss dort also im Gang sein.

Und ehe wir’s uns versehen, dehnt sich die Kette der grünen Leuchtkugeln über die ganze Front bis hinauf nach Craonne aus.

“Generalsturm auf der ganzen Linie!”

Das lange Warten hat ein Ende. Eine wohltuende Ruhe überkommt uns – trotzdem wir bei dem Höllenlärm kaum unser eigenes Wort verstehen.

Endlich können wir zeigen, dass wir noch da sind, dass wir den Gegner würdig empfangen wollen.

Mit einem Schlage setzen unsere sämtlichen Batterien zum Sperrfeuer ein. Ich vermag es kaum zu fassen, wieviele von ihnen auf einmal aus dem Erdboden erstehen, nachdem es erst den Anschein hatte, als ob alles in Grund und Boden geschossen worden sei.

Bald ist die ganze Gegend in Rauch und Qualm gehüllt. Was mag sich in diesen Augenblicken vorn in den Gräben abspielen? Wieviele unserer Brüder werden überhaupt noch am Leben und in der Lage sein, den Ansturm aufzuhalten?

Bereits nach 20 Minuten flaut das beiderseitige Feuer ab. Anstelle der grünen und roten steigen jetzt weiße Leuchtkugeln auf – soweit wir blicken können, überall in unseren Grabenstellungen.

Wir sind beruhigt, denn nun wissen wir, dass der ungeheuere, in die Millionen gehende Aufwand des Feindes an Kraft, Material und Menschengut keinen, zumindest aber nicht den erwarteten Erfolg gebracht hat.

Natürlich wird noch während der ganzen Nacht herüber und hinüber gefunkt. Dennoch kommt es uns jetzt vor, es herrsche an der Front Grabesstille.

— Nun wollen wir uns erst einmal hinhauen und ausschlafen!

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 13.4.

  1. Was für ein Wahnsinn! Und er beschreibt das in einem Mix aus Berichterstattung und Poesie.

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