Die böse Saat der Zermürbung, die im Trommelfeuer der Somme gesät wurde, geht an der Aisne immer stärker auf. Die Frontkämpfer sehen kein Ende dieses gewaltigen Ringens und damit wird der Kampfeswille auch der glühendsten Vaterlandsverteidiger immer mehr geschwächt.
Niedergeschlagen kehren die Infanteristen aus den Gräben zurück. Nur mit Widerwillen lassen sie sich wieder nach vorn schicken.
Die Hoffnungslosigkeit aber, die aus ihren Reden klingt, überträgt sich nach und nach auf die anderen Truppen. Ueberall höre ich Knurren und Murren.
Ich selbst muss zu meiner Beschämung gestehen, dass ich nicht mehr stark genug fühle, meinen Missmut zu verbergen. Deutlich lassen die Tagebuchaufzeichnungen erkennen, dass die innere Widerstandskraft zu erlahmen droht.
3 Jahre Krieg sind eine lange Zeit – – – doppelte und dreifache Last aber für die, die bis zum guten oder schlechten Ende an der Front ausharren müssen
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 10.3. – dieser Text ist bereits am 3.3. erschienen, ist aber eigentlich eine Zwischenbemerkung.
Michael Hoffmann
Gab es im 1.WK so etwas wie „Wehrkraftzersetzung“ (oder Defätismus), womit der Schreiber solcher Zeilen ein Risiko einging, sollte das Tagebuch gefunden oder inspiziert werden?
Stefan Linder
Wehrkraftzersetzung ist eher ein Ausdruck aus dem 3.Reich, das ideologisch viel weiter aufgeladen war. Der spätere Verlauf des ersten Krieges war durchsetzt mit Meuterungen ganzer Truppenteile, später sogar größer Teile der Marine, die am Ende des Krieges nicht mehr auslaufen wollte
Michael Hoffmann
Danke für die Antwort. Ich hatte das Wort bewusst in Anführungszeichen gesetzt, da ich hier nach einem äquivalentem Ausdruck suchte. Daher auch Defätismus hinzufügte.
Meutereien sind ja was anderes: hätten ganze Wehrmachtseinheiten gemeutert hätten die fliegenden Standgerichte wohl wenig ausrichten können.
Mir ging es um das Risiko, dass einzelne eingingen, wenn sie „jetzt“ (also Frühjahr 1917) bereits nicht mehr viel Hoffnung sahen und dann darüber schrieben (oder redeten).