72 km Gewaltmarsch über Maroilles, Langdrecies, La Groise, Molain, Vaux, Bohain bis St. Quentin. Franktireurkrieg. Eigene Verwundete verstümmelt aufgefunden – ganz Langdrecies dafür in Brand gesteckt. 11 Engländer gefangen genommen.
Halb 6 Uhr Abends. Wir sind bis jetzt 10 Stunden ununterbrochen – etwa 45km – marschiert und nehmen endlich in Bohain unser Mittagessen ein.
Unser Weg führte über die Orte Maroilles, Langdrecies, La Groise, Molain und Vaux.
In Langdrecies war von der 14er Infanterie alles in Brand gesteckt worden, weil man Verwundete dieses Regimentes mit ausgestochenen Augen aufgefunden hatte. Wir machten dort kurze Rast, uns an dem schaurigen Spiel der Flammen zu ergötzen; denn angesichts dieser greulichen Schandtat des Feindes kam in uns nur ein Gefühl hoch – das der Rache.
Mitten in unsere Betrachtungen hinein platzte plötzlich der Ruf “Die Engländer sind da!!”. Wir glaubten zunächst an eine Überrumpelung. Schnell waren wir von den Sitzen unserer Fahrzeuge herunter und schlugen uns “buschwärts in die Seite”. Nach 5 Minuten hatten wir die Störenfriede aufgestöbert.
Es handelte sich aber nur um eine kleine Gruppe von 11 Engländern, die den Anschluss an ihre zurückgehenden Kameraden verpasst hatte und nun in der Gegend umherirrte. Angesichts unserer aufgepflanzten Bajonette schien ihr jeder Widerstand zwecklos. Sie ergab sich und wurde an die Infanterie zum Rücktransport abgeliefert.
Wir hofften nunmehr, von weiteren Überraschungen verschont zu bleiben. Unser friedlicher Gänsetrott wurde aber schon nach 1 Stunde erneut gestört. Aus einem Gehöfte rechts der Marschstraße ertönte plötzlich ein Gewehrschuss. Eine Kugel pfiff durch unsere Kolonne. Da feindliche Truppen nicht mehr in der Nähe waren, konnte nur irgendein fanatischer Einwohner der Übeltäter gewesen sein. Wir machten kurzen Prozess und steckten das fragliche Gehöft mit Mann und Maus in Brand. Kurz vor Bohain passierte uns das gleiche Theaterstück noch einmal – mit dem selben Schlusseffekt.
Alles in allem, es war ein aufregender Tag – und doch kann uns heute noch allerhand blühen, denn wir erfahren, dass wir noch weitere 25km zurücklegen sollen.
Halb 7 Uhr Abends geht es tatsächlich weiter und erst gegen halb 12 Uhr Nachts können wir unsere Knochen aushängen. Wir befinden uns vor den Toren der Stadt St. Quentin.
Manuel
Das scheint die erste größere Schlacht werden an der unser Protagonist teilnimmt. Auch wird nicht alles nach Plan laufen. Bin gespannt wie das von den Soldaten wahrgenommen wird.
Krass wie locker er auch von seinen Aktionen spricht, die letztlich Kriegsverbrechen sind (zumindest meinem Empfinden nach).
julian
Ja natürlich sind es Kriegsverbrechen und ich bin auch immer wieder erstaunt. Aber das alles wird sich schon noch früh genug wenden.
Stefan
Gemessen an den damaligen ‚Gepflogenheiten‘, wurden auch die vermeindlichen Hinterhalt-Attacken der Franktireure von vorrückenden Truppen vermutlich ebenfalls als ‚Verbrechen‘ gewertet.
Während des Krieges 1870, hatten die Truppen ihre ersten ‚Erfahrungen‘ mit dieser Art der Kriegsführung gemacht, die einen bleibenden Eindruch hinterließ. Man hatte sich damals allerdings nicht entschieden breitgefächerte Vergeltungsmaßnahmen durchzuführen (vielleicht i m Bewusstsein des ’sicheren‘ Sieges?).
O.
Bei „Vaux“ dürfte es sich wegen der Marschroute um Vaux-Andigny handeln.
Barbara
Wir sehen es so, weil wir mit dem „Helikopterblick“ und dem Wissen das wir haben, das ganze lesen. Er sieht nur seine Strapazen, die Gräuel des Krieges und vielleicht die Angst selbst davon betroffen zu werden. Das ganze schlägt in Rache um. Jahre später hat er das sicher auch anders gesehen.
Schrecklich was der Krieg aus einem macht…
ulrike
Ja, und nicht nur ein Krieg, an dem man selbst beteiligt ist – leider. Ich habe das vor Jahren während des ehemaligen Jugoslawienkrieges erlebt. Da schlug auf einmal die Stimmung zwischen kroatischen und serbischen Schülern, die teilweise oder ganz in Deutschland aufgewachsen waren und gemeinsam freidlich und in Freundschaft eine Schule besucht hatten, plötzlich so heftig um, dass es Prügeleien auf dem Schulhof gab. („Deine Leute haben meinen Onkel …. umgebracht!“)
Ruedi
Unglaublich auch diese Marschleistungen. Heutige Armeen wären wohl unter diesen Belastungen schon kampfunfähig bevor Sie das Schlachtfeld überhaupt erreichen würden. Wenn ich da an meine Militärzeit denke, und wie einige nach 30 – 40 km mit Gewehr und leichtem Gepäck, ausgesehen haben, kann ich mir gar nicht ausmalen wie es nach 72 km ausgeschaut hätte.
Walk
Ich bin mir da nicht so sicher, dass es sich hier um ein Kriegsverbrechen handelt.
Schießende Bevölkerung werden als „Partisanen“ gewertet, welche auch heute nicht unter dem Schutz der Genfer Konventionen stehen.
Somit war (auch wenn vlt. weder menschlich noch verständlich) eine „Entledigung“ für die damaligen Soldaten kein Akt, wo Sie nachher Reuen gezeigt haben werden.