Ein österreichisches Lob auf unsere Batterie – teils verdient, teils unverdient – Zuchtlosigkeiten.
Noch immer liegen wir am Isonzo. Dass es aber dennoch fortgeht, zeigt uns heute ein weiterer Befehl des 7. Korpskommandos folgenden Inhalts:
K.u.K. 7. Korpskommando.
Res.-Nr 408
Korpskommandobefehl
Feldpost 91, am 27. Jänner 1916
Die kgl. Preuss. Fussartl. Bt. Nr. 106 hat von Anfang Juli bis Anfang Dezember v.J. im Verbande des 7. Korps an der zweiten, dritten und vierten Isonzoschlacht ruhmvollen Anteil genommen, sich durch Tapferkeit, Schneid und strammste Zucht hervorragend ausgezeichnet und dem verräterischen Feinde mit ihrem weittragenden Geschütz schweren Schaden zugefügt.
Ich sage der Batterie beim Abgehen vom Kriegsschauplatz am Isonzo, allen voran ihrem bewährten Führer, den Offizieren, Unteroffizieren und der Mannschaft meinen besonderen Dank und meine vollste Anerkennung.
Gottes Segen geleite sie weiterhin bis zum glücklichen Abschluss des harten Ringens, in dem Deutschland und Österreich-Ungarn vom Beginne an unerschütterlich nebeneinander fechten.
EH. Josef, G.d.K.
Zu diesem Befehl ist noch ein Schreiben des Korps-Artillerie-Kommandos eingegangen, das folgenden Wortlaut hat:
K.u.K. Korpsartilleriekommando.
Res. Nr. 263
An Königl. Preuss. Fussartillerie-Batterie Nr. 106.
Seine k.u.k. Hoheit der durchlauchtigste General der Kavallerie, Erzherzog Josef, Kommandant des 7. Korps, hat aus Anlass des bevorstehenden Scheidens der Batterie von der Isonzofront den heute an die Batterie übermittelten Korpskommando-Befehl erlassen.
Die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der dem Korpsartl. Kommando unterstellten Batterien freuen sich dieser wohlverdienten Anerkennung, welcher sich das Korpsartilleriekommando vollständig anschliesst.
Wir rufen den scheidenden Kameraden auch unsererseits ein herzliches “Lebewohl” mit den besten Wünschen für Heil und Sieg und mit dem Versprechen zu, dass wir die in harten Kämpfen geschmiedete Waffenbrüderschaft nicht vergessen werden.
Standort, den 2. Februar 1916
Josef Janecke, Obst.
Das der Batterie “im allgemeinen” ausgesprochene Lob ist verdient, denn die Kampfesführung war hier durchweg mit großen Schwierigkeiten, Entbehrungen und Gefahren verknüpft.
Zu dem Punkte “Manneszucht” jedoch muss ich wohl oder übel ein paar Worte verlieren, die einigen der Kameraden vielleicht unangenehm in den Ohren klingen mögen.
Schon die Ereignisse des Weihnachtsabends warfen ein eigenartiges Licht auf die inneren Verhältnisse der Batterie.
Manche andere Zuchtlosigkeit ist voraufgegangen und gefolgt. Die Ursache liegt zum nicht geringen Teile darin, dass bei der Neuaufstellung der Batterie die damals in der Champagne liegenden Truppenteile sich in erster Linie der ihnen im Laufe des Feldzuges unbequem gewordenen “Nummern” zu entledigen bestrebt waren. Im Grund genommen alles gute Kerle, aber — “wehe wenn sie losgelassen!”
Die mehr oder minder große Langeweile, das Ziel- und Hoffnungslose dieses Krieges, der Übermut und der Überdruss haben bei diesen Gesellen schon manche bösen Folgen gezeitigt.
Ein weit gefährlicherer Feind ist aber der “Slivovitz” oder wie er in der Batteriesprache genannt wird, der “Schlikowitz”.
Es gibt Kameraden, die diesem Teufel ganz verfallen sind und, wenn es darauf ankommt, 8 Tage lang nicht mehr nüchtern werden. Das Verlangen nach diesem Fusel ist so groß, dass es auf alle Art und Weise befriedigt wird.
Soll von “einigen” überhaupt noch eine vernünftige Arbeitsleistung erzielt werden, so muss sogar an sie erst Schlikowitz ausgegeben werden. Für Schlikowitz gehen sie – immer die Bewussten – durchs Feuer, für Schlikowitz nehmen sie gerne “3 Tage” in Kauf, für Schlikowitz reißen sie unter Umständen die ganze Ziegelei ein.
Wie sagt doch immer einer von ihnen – ein ehemaliger Mainzer Hafenarbeiter -, nachdem er eine 3/4 Liter-Feldflasche von diesem verfluchten Zeug in einem Zug, ohne abzusetzen, durch die Gurgel gejagt hat: “Ebe warmer’s doch “so” miserabl zu Mute, aber jetzt geht mer’s schon widder besser – wenn ech jetz noch een krigge kennde, so wirds mer sicher erst richtig wohl werde!”
Ein anderer hinwiederum, der wegen seines Suffs eines Tages Einzelhaft in einer engen Zelle hinter der Ziegelei erhielt, trat einfach die Tür ein und meldete sich in der Schreibstube mit den Worten “Er verlange ein anständiges Arrestlokal – in dieser Bude könne er sich nicht einmal ordentlich ausstrecken.” Man musste ihn schließlich laufen lassen, damit er seinen Rausch irgendwo bei Mutter Grün ausschlief.
Und was geschah mit dem dicken Schr. …? Ihn brachte man nach mehrtägiger Abwesenheit sogar mit aufgepflanztem Bajonett aus dem “tugendhaften” Görz, wo er in seiner Besoffenheit tolle Streiche verbrochen hatte. Das Bild seines Einzuges in die Sammelstelle Vertojba gehört unbedingt in die “Lustigen Blätter”. Er hatte es würdevoll abgelehnt, den Weg zu Fuß abzuklabastern. Vielleicht war ihm auch der Boden zu schwankend geworden. So musste sich das verehrliche k.u.k. Korpskommando schließlich dazu bereitfinden, einen leichten Zweispänner zur Verfügung zu stellen. Und “stolz wie Oskar” begrüßte Schr. bei der Ankunft seinen Feldwebel. — Ein paar Tage “Kasten” waren das Endergebnis dieser Spritztour, über die man noch lange hinterher in der Batterie schmunzelte.
Der Feldwebel aber hat unter solchen Umständen wirklich seine liebe Not, alle Nationalitäten der Batterie noch einigermaßen in Rand und Band zu halten und nur das Eine mag ihn trösten: “ Auch dieser Feldzug wird einmal vorübergehen.”
Es ist schon beinahe ein zweifelhaftes Vergnügen geworden, zu diesem “Sammelbecken der Abgeschobenen” zu gehören. Da ich mich seinerzeit aber freiwillig meldete, darf ich wohl für mich und auch für manchen anderen in Anspruch nehmen, außerhalb dieses allgemeinen Begriffes zu stehen.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 10.2.
Daniel
Achja eine weitere Schattenseite des Krieges. Das werdenn icht die einzigen gewesen sein, die sich in den Suff geflüchtet haben.
Patrick
„das Ziel- und Hoffnungslose dieses Krieges“.. Da wird er es wohl bereut haben, sich als Freiwilliger gemeldet zu haben?