1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

30.9. Stellungswechsel nach der alten Stellung

/ / 7.9. - 8.10.1914 Rückzug von der Marne bis zur Aisne

Stellungswechsel nach der alten Batteriestellung. Starke feindliche Angriffe zurückgeschlagen. Schwierige Fernsprecharbeiten – eine Hammelherde als Störungstrupp. Typhusgefahr.

4:30 Uhr vormittags: In der Batterie herrscht reges Leben. Mit Tagesgrauen stehen die Geschütze in ihrer alten Stellung. Die Fernsprechleitung wird später nach der Beobachtung gelegt, diesmal in gerader Linie, durch dichtes Buschwerk und über 3-4m breite Bäche hinweg.

Die Aufgabe ist (mit den schweren Kabeltrommeln auf dem Buckel) kreuzgefährlich. Wir sind froh, als alles endlich in Ordnung ist und verlassen die Stellung um 8 Uhr morgens, um uns der wohlverdienten Ruhe – die 4. Batterie hat heute Dienst – hinzugeben.

10 Uhr vormittags ist vollzähliger Appell. Der Stabsarzt hält einen Vortrag über die im nahen Condé ausgebrochenen Typhusfälle und erläutert die gegen eine Weiterverbreitung erforderlichen Schutzmaßnahmen.

Der Lagerplatz soll von allem Unrat (Stroh, Lappen und sonstigen Abfällen) gesäubert werden. Sämtliche Überbleibsel menschlicher “Hinterlistigkeiten” welche hier die Gegend fast quadratmeterweise “schmücken” und den Bauern für Jahre hinaus die Düngung ihres Landes ersparen werden, sind mit Erde zu bedecken.

“Stehend freihändig” ist in Zukunft nichts mehr gestattet. Statt dessen sollen wir auf eine Stange – mit Frischluftspülung – immer fünfe bis sechse nebeneinander!

Kaum haben wir mit unserer angenehmen Tätigkeit begonnen, da bringt uns der Feldwebel die Mitteilung, sofort die Batterie zu besetzen. Warum, ist uns unbekannt. Aber daraus, dass alles in größter Eile vor sich gehen muss, können wir entnehmen, dass es wohl wieder dicke Luft geben wird.

Und richtig! Wir liegen soeben in unserer Verschanzung als auch schon die ersten feindlichen Granaten ihren Morgengruß senden.

Der Adjutant des Generals Schw. meldet: “Der Feind greift auf der ganzen Linie an!” Was das bedeutet, spürt ein jeder. Nur wenige Augenblicke, dann fliegt auch von uns der erste Schuss – mit einer Entfernung von 3550m – in das nächste feindliche Dorf. Das Feuer wird bald hier und bald dorthin gestreut.

Wir halten aus.

Mitten im Hochbetrieb geht aber unsere Fernsprechverbindung zur rückwärtigen Beobachtung zum Teufel. Ich muss aus dem schützenden Erdreich heraus. In der näheren Umgebung der Batterie ist alles in Ordnung. Erst etwa 1200m entfernt finde ich die schadhafte Stelle.

Und was ist an der Störung schuld? — Eine ganz dämliche Hammelherde, die friedlich und ohne Aufsicht ihres Weges zieht und in ihrem Mangel an Menschenverstand die Fernsprechleitung anscheinend für einen Strick zum Hindernisrennen angesehen hat.

Schweißtriefend und mit einem besonderen Zorn im Leib kehre ich nach einer Stunde zurück.

Gegen 2 Uhr Mittags meldet sich der Magen – aber es gibt eine neue Enttäuschung.

Als unsere Leute die Portionen aus der in der nähe weilenden Feldküche in Empfang nehmen wollen, kommt zufällig General Schw. Des Weges. Er lässt die Feldküche wieder schließen und schickt die Unseren mit den Worten zurück: “Sagen Sie Ihrem Hauptmann, die Batterie könne jetzt nicht essen, sie müsse kämpfen!”

Wir ergeben uns in unser Schicksal, obwohl wir den General in diesem Augenblick auf den Blocksberg wünschen.

Um 4 Uhr nachmittags endlich – nachdem sich das feindliche Feuer gelegt hat – können wir das Versäumte nachholen. Der inzwischen um das Doppelte angewachsene Kohldampf findet jedoch zu unserer nicht geringen – und nun der 3. – Enttäuschung Befriedigung nur in einer halben Portion.

Eine Viertelstunde später hocken wir schon wieder am Geschütz. Wir beschießen nunmehr feindliche Schützengräben, nur 3400m vor uns. Unsere Batterie bekommt dabei heftiges Gegenfeuer.

7 Uhr abends muss ich die Leitung zum 3. Male flicken – wieder an derselben Stelle und aus der gleichen Ursache wie am Vormittag. Ob wohl die Hammelherde den Angriff ihrer Blutsverwandten vorn an der Front unterstützen will? Auf alle Fälle beuge ich weiterem Unheil vor, nehme einen dicken Knüppel und schlag sie in die Flucht.

8 Uhr abends: Der Vorstoß des Feindes ist überall zurückgewiesen worden.

Die Batteriebedienung kann – mit Ausnahme von uns Fernsprechern und der 3. Geschützbedienung, welche heute abend Wache in der Feuerstellung übernehmen müssen – zur Protzensammelstelle zurückkehren.

9 Uhr abends begeben wir uns zur Ruhe.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 1.10.

  1. „Hammelherde… nehme einen dicken Knüppel und schlag sie in die Flucht“
    Warum hat er nicht einen mit dem Knüppel erschlagen und als Proviant mitgeschleift?

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  2. Die Frage mag zwar dämlich erscheinen….wie wurden die Soldaten mit Hygieneartikel versorgt? Gab es denn Toilettenpapier? Die vielen Fälle von Typhus und Ruhr lassen dramatische Verhältnisse schließen.

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