Abends 9 Uhr. Die Himmelfahrt ist zu Ende.
Unversehrt bin ich bei meinen Kameraden gelandet und finde alles unverändert vor. Aber wie gesagt, es war mehr als eine Himmelfahrt.
Den Reisebericht von gestern fortzusetzen, traf ich zunächst gegen 6 Uhr nachmittags in Trier ein.
Ein Zug zur Weiterfahrt stand bereit und brachte mich gegen 7 Uhr abends bis Ückingen. Hier musste ich nochmals umsteigen. Während der neue Zug fahrplanmäßig 10:58 Uhr abends in Charleville eintreffen musste, geschah dies in Wirklichkeit erst heute morgen gegen 2 Uhr. Mehrmalige feindliche Fliegerangriffe auf die Bahnhofsanlagen in der Nacht zwangen uns zu längerem Liegen vor der Station. Der nächste Anschluss nach der Front ging damit flöten.
Um 7:24 Uhr morgens endlich sollte uns ein D-Zug nach Liart bringen. Er hatte aber gleich von Anfang an 2 Stunden Verspätung und kam erst um halb 11 Uhr am Bestimmungsort an.
Hier begann das Affentheater von neuem. Mit dem nächsten Beförderungsmittel: “Express-Güterzug” hätten wir spätestens in einer halben Stunde Mont Cornet erreichen müssen. Doch selbst nach 8-stündiger Fahrt war von diesem Ort noch nichts zu sehen.
Vor jeder Station gabs eine Stunde und noch länger Rast, dann wieder 10 Minuten Fahrt — und so ging es weiter bis zur Verdünnung.
Als ich zuletzt nach etwa 2-stündiger Rast vor Ungeduld zum Fenster unseres Abteils hinaussah, um die Ursache der Verzögerung festzustellen, gewahrte ich zu meinem nicht geringen Schrecken, dass man die Lokomotive abgespannt und uns auf freier Strecke einfach liegen gelassen hatte.
Gleich packte mich die Wut, ich selbst aber kurzentschlossen meinen Tornister und so kam ich glücklich nach 1-stündigem Fußmarsch bis Mont Cornet. In M. Erwischte ich ein Lastauto, ein weiteres dann in Dizy le Gros.
Und jetzt – gegen 9 Uhr abends – bin ich wieder “daheim”. Hier draussen daheim! Denn wir sind mit dieser Erde im fremden Land während der vielen Jahre verwachsen, als wäre sie immer unsere Heimat gewesen — und sollte sie es ewig bleiben.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 4.5.
yhm
Zwischen Liart und Montcornet gibt es heute keine direkte Zugverbindung mehr.
https://www.openstreetmap.org/directions?engine=osrm_car&route=49.7695%2C4.3398%3B49.6964%2C4.0181#map=11/49.7318/4.1779
Ich habe zunächst befürchtet, dass die Gleise von einem deutschen Schienenwolf zerstört worden sein könnten, aber tatsächlich gab es 1957 noch regelmäßige Verbindungen zwischen Liart und Montcornet:
http://passiondestrains.free.fr/page45_2.html
Erst am 28.09.1968 wurde beschlossen, den Personenverkehr einzustellen und am 24.02.1975 wurde entschieden die Schienen zu demontieren. Sofern ich das richtig verstanden habe, ist die Strecke heute so eine Art Wanderweg, so dass man 100 Jahre später vermutlich den Fußmarsch ziemlich genau so wiederholen könnte.
Jens Winden
Der Urlaubsschein war ausgestellt bis 25.04.1917 nachts.
Also wurden offensichtlich zwei Tage Verspätung durchaus toleriert.
W. Fischer
Planmäßig war doch ab Trier gar nichts mehr und es verwundert schon, dass die militärische Logistik noch so gut funktionierte, dass (Abwehr-)Schlachten geplant werden konnten.
Mag sein, dass Ernst auf zivile Züge wartete, aber sollte es militärische gegeben haben, hätte er die nutzen können.
Zudem trifft ein Fliegerangriff sicher bevorzugt Militärzüge.
André Gottwald
An dieser Stelle ein Hinweis auf das aktuelle Heft „Militär und Geschichte“, Juni/Juli 2017. In diesem Heft ist ein Beitrag zur dritten Flandernschlacht, die im Juni 1917 beginnen wird. In dem Beitrag werden die strategischen Zusammenhänge erläutert, die zu Ernst Pauleits Erlebnissen in den letzten Wochen führten. Sehr informativ.
http://militaer-und-geschichte.de/