Eigene Angriffe auf der ganzen Front. Wieder vorwärts? Das Ruhelage erhält Fliegerbomben
9 Uhr vormittags: Die ganze Nacht wurde von uns und vom Feinde geschossen.
Gegen 4 Uhr morgens erhielten wir Befehl, anzuspannen und alles marschbereit zu machen – ob nun zu einem Vor- oder Rückmarsch, wussten wir nicht. Wir fassten aber die Sache nicht so tragisch auf und blieben deshalb – mit Ausnahme unserer Fahrer – zunächst noch in den Zelten. Und richtig – nach 1 Stunde wurde wieder abgeblasen, so dass wir bis halb 7 Uhr vormittag weiterpennen konnten.
Jetzt sind wir zum zweiten Male marschbereit. Es soll vorwärts gehen? Eine wahre Erlösung für uns alle, die wir das ruhige Liegen in dieser Stellung längst leid geworden sind.
6 Uhr abends: Unser linker Flügel hat im Laufe des Tages angegriffen und außerordentliche Erfolge gehabt. Wir beobachteten dort das Überschreiten der stark verteidigten Höhen durch etwa 10 Infanterie-Regimenter – und glaubten schon, uns anschließen zu können.
Statt dessen hockten wir leider immer noch hier. Wir müssen allerdings sehr vorsichtig sein, um beim Flankieren des linken Flügels nicht in die eigenen Reihen zu treffen. Und dass der Feind auch in unserem Abschnitt erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde, fühlen wir deutlich. Sein Geschützfeuer hat nachgelassen. Die Infanterie ist ruhig. Sie schanzt sich von neuem in die Erde.
Im übrigen versuchen die Franzosen ihre Schwächung durch ein verstärktes Aufgebot von Flugzeugen zu vertuschen. Aufklärungs- und Kampfflieger schwirren in großer Zahl über uns und greifen das Hinterland an.
Auf unseren Fesselballon haben sie es nach wie vor besonders abgesehen – bisher ohne Erfolg.
Und selbst unsere Sammelstelle scheint ihnen ein lohnendes Ziel zu sein. Noch vor einer halben Stunde flog wieder so ein “Bruder Luftikus” über unsere Köpfe. Wir ahnten nichts Gutes – wenige Sekunden später hörten wir bereits das berüchtigte Pfeifen, dem fast im selben Augenblicke ein heftiger Knall folgte.
Wir hatten uns alle schon vorher blitzschnell auf den Boden geworfen, denn in dieser Art Freiübung besitzen wir eine kaum noch zu übertreffende Virtuosität, die ganz automatisch – und ohne dass ers tdazu eines höheren Befehles bedarf – ausgelöst wird.
Etwa 20 m von uns war eine Bombe explodiert. Sie hatte beim Aufschlagen nur ein etwa 5cm tiefes Loch aufgerissen. Die Sprengstücke mussten also nach allen Himmelsrichtungen geschleudert worden sein. Trotzdem blieben wir – wie durch ein Wunder – unversehrt — bis auf zwei, in unmittelbarer Nähe der Einschlagstelle liegende Infanteristen, die aus dem langsam verwehenden Dreck und Qualm plötzlich wie ein paar Neger hervorkrochen. Der Schreck saß ihnen schön in den Gliedern. Da sie im übrigen aber keine Verletzungen davongetragen hatten, war die Stimmung bei allen Beteiligten bald wiederhergestellt.
Ob es nun auch in unserem Abschnitt wirklich vorwärts gehen wird, ist noch unbekannt. Anscheinend hängt dies gleichzeitig von den Erfolgen des rechten Flügels mit ab. Die Nachrichten von dort lauten ebenfalls gut; Einzelheiten sind aber bisher nicht zu erfahren.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 27.9.