48 Stunden im engen Unterstand. Tabak in der höchsten Not. Feldgottesdienst. Abends Lagerleben wie im 30jährigen Kriege.
Die Nacht verlief ruhig. Um 6 Uhr wurden wir geweckt. Geschlafen hatten wir in unserem engen Unterstand tadellos. Gegen Morgen wurde jedoch die Luft darin so schlecht, dass es einem meiner Kameraden übel wurde und schleunigst die Zeltbahn vom Eingang weggerissen werden musste. Kein Wunder, wenn man zu 3 Mann wie die Heringe nebeneinander in einem dumpfen Loch von eineinhalb Metern im Geviert und einem halben Meter Höhe fast volle 48 Stunden hocken und liegen muss.
Unsere Ablösung wurde unter solchen Umständen mit besonderer Freude begrüßt, da wir nun endlich unsere Glieder wieder strecken und recken durften.
Um 7 Uhr verließen wir die Batterie.
In der Sammelstelle gab es freundlichen Empfang. Einige Mannschaften hatten mit Wagen und Pferd rund 45km in der Umgebung nach Tabak, Zigarren, Zigaretten, Zucker und Käse abgegrast und dabei Waren im Werte von etwa 250M zusammengekauft. Bei unserer Ankunft erfolgte Abgabe dieser Leckerbissen an uns gegen Bezahlung. Dabei entfielen auf jeden Kopf etwa 5 Zigarren, 40 Zigaretten, ein halbes Paket Tabak und ein kleines Stück Käse nebst Zucker. Das Herz ging uns allen auf – vom Feldwebel bis hinunter zum Kanonier.
Mit dem Rauchmaterial konnte es so auch nicht weitergehen. Die ganz Leidenschaftlichen behalfen sich schon seit Tagen mit getrockneten Kleeblättern und vorn in der Batterie, in der selbst dieser Luxus nicht mehr aufzutreiben war, sogar mit kurzen Stücken unserer Rohrmatten. Wie verschieden doch die Geschmäcker sein können!
Am Nachmittag – gegen 4 Uhr – fand für beide Konfessionen hinter der in der nähe unserer Sammelstelle gelegenen Kirche von Variscourt ein allgemeiner Feldgottesdienst statt. Von unserem Regiment beteiligten sich daran die 1. Batterie und die leichte Munitionskolonne; außerdem ein Bataillon Infanterie.
Die kurze Feldpredigt eines evangelischen Divisionspfarrers weckte in allen Herzen freudigen Widerhall. Die Weisen eines kleinen Musikkorps trugen das Ihre dazu bei.
Wir rückten frohen Mutes in unsere Sammelstelle wieder ein. Diese aber bot am Abend ein recht anheimelndes Bild. Das Leben und Treiben darin glich ganz dem Lagerleben des 30jährigen Krieges.
An der Front herrschte Totenstille. Der Vollmond sandte sein fahles Licht durch den wallenden Nebel zu uns herab. Die Kameraden konnten noch keinen Geschmack an der Ruhe finden. Sie saßen vor ihren Zelten auf selbstgezimmerten Bänken an selbstgezimmerten Tischen unter selbstgepflanzten Bäumen, spielten Karten, musizierten mit der Mundharmonika, erzählten beim Tabaksqualm vom Kriegsschauplatz — oder träumten von der Heimat.
Nichts störte den Abendfrieden. Selbst die weniger zart besaiteten Seelen wurden nach und nach von ihm ergriffen und lauschten in stiller Andacht um und in sich.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 3.10.