Bei dem gestrigen Gewaltmarsch sind, wie ich erst heute erfuhr, 2 Pferde zugrunde gegangen. Wir haben dafür unterwegs ein neues zum Preise von 1450 Mark gekauft, allerdings nicht gegen bar sondern mit Requisitionsschein, der unsere Batteriekasse nicht sonderlich belastet.
Viertel vor 7 Uhr morgens verlassen wir unseren Quartierort. Wir marschieren zunächst 2 Stunden zu Fuß, dann eineinhalb Stunden aufgesessen und anschließend wieder zu Fuß.
Gegen 12 Uhr Mittags beziehen wir Biwak auf freiem Felde neben dem Feldartillerie-Regiment 22.
Das vor uns liegende Dorf muss erst vor wenigen Stunden in unseren Besitz gelangt sein, denn etwa 10 Häuser brennen noch lichterloh. Nicht anders sah es in den Ortschaften aus, die wir heute berührten. Trotzdem merken wir vom eigentlichen Kriege augenblicklich fast nichts, da wir vor lauter Tippelei nicht zum Schuss kommen.
Halb 8 Uhr abends: Nun bin ich aber wirklich hundemüde. Seit der etwa zweistündigen Mittagspause sind wir bis jetzt ununterbrochen hinter den Geschützen und Fahrzeugen hergetrottet. Eben haben wir unsere Fahrzeuge parkiert und Biwak bezogen.
In der mir dem Namen nach unbekannten Ortschaft ist nichts mehr unterzubringen. Alles ist mit Infanterie belegt. Die wenigen Bewohner, die zurückgeblieben sind, geben uns aus übertriebener Angst, was sie noch an Esswaren und Obst besitzen — obwohl wir gar nicht danach verlangen.
Unser Feldwebel erzählt uns, dass ein bayerisches schweres Reiter-Regiment eine französische Kavallerie Brigade aufgerieben habe. In Russland sollen die Deutschen bis Moskau vorgedrungen sein.
Wir selbst werden morgen mit 3 Armeekorps gegen eine in der Nähe von Namur verschanzt liegende französische Armee ins Gefecht ziehen. Wenn die deutschen Truppen überall so erfolgreich waren, sind wir überzeugt, dass wir auch hier den Sieg davon tragen werden.
Von den belgischen Truppen fürchten wir nichts. Ihnen fehlt der patriotische Schwung und die Begeisterung. Sie haben sich bisher bereits zurückgezogen, nachdem unsere Feldartillerie nur wenige Schrapnells über ihre Köpfe hinweggejagt hatte.
Der nächste Beitrag folgt am 20.08.
hape
„In Russland sollen die Deutschen bis Moskau vorgedrungen sein.“
Ganz nebenbei ein wunderbarer Satz, der das ganz Ausmaß an Hysterie, Propaganda und Desinformation zeigt, das den Ersten Weltkrieg möglich machte.
Xandra
Ich lese von Anfang an begeistert das Blog. Wirklich eine tolle Sache. Ich finde es im Moment doch sehr beklemmend, wie sorglos Ihr Großvater von dem Erlebten berichtet. Nach seinen Schilderungen wirkt es, als wären die Soldaten in den belgischen Häusern willkommen. Und der Eindruck ‚übertriebener Angst’… nachdem Häuser angezündet wurden und das Dorf eingenommen wurde… ich bin gespannt, ob sich die Art der Schilderungen ändern, sobald er das erste Mal aktiv am Kriegsgeschehen beteiligt war.
Den Begriff ‚Requisitionsschein‘ habe ich bisher nicht gehört und leider wirft mir Wiki auch kein Ergebnis aus. Weiß jemand was das genau ist? Ich vermute nicht, dass die Belgier irgendwann wirklich Geld für ihr Pferd bekommen haben. 😉
Barbara
Wenn sie in der nähe von Namur sich verschanzen, dann sind sie gute 40-45km marschiert..
Dennis
@xandra
Eine requisitierung bedeutet meines Wissens nach das etwas für militärische Zwecke beschlagnahmt wird. Ein Requisitionsschein ist sowas wie die Quittung die man erhält damit man belegen kann das etwas beschlagnahmt wurde.
julian
Ja. Dazu kommt auch die Tage noch mehr.
Xandra
Danke für die Erklärung!
julian
Zu den Requisitionsscheinen kommt in den nächsten Tagen noch ein Beitrag, der ein wenig mehr erklärt.
Klaus
Tatsache ist, dass die Belgier ja neutral waren und den deutschen Ein-/Durchmarsch verweigert hatten. Der Einmarsch der deutschen Truppen kam ziemlich kurzfristig und überraschend, die Belg. „Armee“ hatte kaum Zeit sich vorzubereiten und war schlecht ausgerüstet. Trotzdem stellte sie sich der Übermacht jahrelang mutig und trotzig in den Weg, was Britten und Amerikaner mit dem Ausdruck „brave little Belgium“ honorierten.