Unsere Geschütz- und Beobachtungsstelle in den Bergen bei Görz. Am Abend wieder Wettgesänge. “Deutschland, Deutschland über alles!”
Ich benutze den etwas kühlen Vormittag, unsere Frontkämpfer aufzusuchen.
Erst war ich in unserer Feuerstellung. Sie liegt in Micoli unweit der einzigen Straße, auf der der gesamte Nachschub zu den vorderen Stellungen dieses Abschnittes erfolgt. Von hier aus begann ein endloses Klettern und Kraxeln inmitten von Felsen und Steinen. Bis zur Batterie gebrauchte ich von unserer Sammelstelle rund eine Stunde.
Jetzt – nach einer weiteren halben Stunde – sitze ich auf der Beobachtung. Sie befindet sich auf der nach der italienischen Front zu abfallenden Seite des Plateau von Doberdo, das noch vor wenigen Tagen von den Italienern heftig umkämpft wurde, nun aber wieder ruhig daliegt.
Der Ausblick von hier ist wunderbar. Man sieht weit hinüber bis zu dem Delta des Isonzo nach Monfalcone und sogar bis zum Adriatischen Meere. Das letztere bildete in Wirklichkeit für mich den Hauptantrieb für meine heutige freiwillige Schwitzkur und Tour nach der Front.
Das Auge (mit dem Scherenfernrohr, neuestes Fabrikat der Firma Zeiss, bewaffnet) kann sich an den Schönheiten der reich bewaldeten und bewohnten Ebene kaum sattsehen. Ganz im Hintergrunde wogt die Brandung des Meeres und wirft hohe weisse Wellenkämme auf.
Von den feindlichen Stellungen kann ich mir auf den ersten Blick nur eine ungefähre Vorstellung an den weißen Schrapnellwolken unserer Artillerie machen. Im allgemeinen verschwinden sie ganz hinter Busch und Haus.
Da sie zum Teil in die Erde eingegraben werden können, ist der Feind besser geschützt als unsere Truppen, die ihre Gräben – wenn man sie überhaupt noch als solche bezeichnen will – überall in Felsen einhauen und einsprengen oder aus aufeinander geschichteten Steinblöcken errichten müssen. Eine mühselige Arbeit.
Es ist kein Wunder, dass die meisten Verwundungen – wie schon einmal erwähnt – nicht unmittelbar durch die feindlichen Geschosse, sondern durch umherfliegende Steinsplitter entstehen.
Andererseits haben unsere Stellungen durch ihre Höhenlage wesentliche Vorteile gegenüber den feindlichen, da wir jede größere Bewegung des Feindes rechtzeitig erkennen können. Tatsächlich sind ja auch die gewaltigen Anstrengungen der Italiener in der letzten Zeit dank unserer Wachsamkeit ohne Erfolg geblieben.
Unmittelbar hinter unserer Beobachtung ist österreichische Feldartillerie aufgefahren. Sie feuert lustig über unsere Köpfe hinweg zu den Italienern hinüber — für uns selbst infolge der ausgeleierten Rohre, die ab und zu Frühkrepierer verursachen, beinahe ebenso gefährlich wie für den Feind.
Um die Vorteile unserer höher gelegenen Beobachtungen wieder wettzumachen, lassen die Italiener zahlreiche Fesselballons steigen; alle in beträchtlicher Entfernung.
Dennoch haben wir ihnen gestern mit unserer 13cm-Kanone einen Strich durch die Rechnung machen können. Mit 9 Schuss war es uns gelungen, einen der Fesselballone auf eine Entfernung von 14200m (14400m ist unsere äußerste Schussweite) in Brand zu schießen.
Unser Batterieführer erhielt dafür ein persönliches Glückwunschtelegramm des Erzherzoges – na, und der übliche Ordenssegen wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.
Heute morgen haben wir ein feindliches Lager auf 10000m mit Erfolg beschossen. Es ist uns eine Herzensfreude, dass wir auch den verd… Italienern, die uns so schnöde die Treue brachen, mal ordentlich ein paar auf den Pelz brennen und somit unseren stillen Schwur vom Pfingstsonntag in die Tat umsetzen können.
Auf meinem Rückweg nach der Batteriestellung begegne ich einem Trupp von 10 Gefangenen. Sie tragen dunkelgrüne, leinene Uniformen und Käppis fast wie die der Österreicher, Ihre gute äußerliche Verfassung setzt mich einigermaßen in Erstaunen – vielleicht ist es auch nur die Freude darüber, dass der Krieg für sie nunmehr zu Ende ist.
Nach meiner Rückkehr zum Lager gehe ich des Abends mit einigen Kameraden ins Dorf. Wir suchen verschiedene Wirtschaften auf. Bier gibt es leider nicht; dafür wird entweder Kaffee oder Wein ausgeschenkt. Wir ziehen den letzteren vor und kommen auch gar bald in lustige Stimmung.
MIt Gesang geht es von einem Ort zum andern, von den deutschen zu den österreichischen Kameraden, den Wienern, den Ungarn, den Slovenen, den Küstenländern und wie sie alle heißen. Bald sind wir miteinander wieder im besten Liederwettstreit, so dass wir erst spät in der Nacht unter den Klängen unseres “Deutschlandliedes” im Quartier anlangen.
Jawohl: “Deutschland, Deutschland über alles!”. Das Lied enthält mehr Wahrheiten als wir wissen.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 15.7.
V.Z.
Zitat: „Es ist kein Wunder, dass die meisten Verwundungen – wie schon einmal erwähnt – nicht unmittelbar durch die feindlichen Geschosse, sondern durch umherfliegende Steinsplitter entstehen.“ Zitatende
Bei Wikipedia findet sich unter Stahlhelm – Deutsches Reich ein passender Artikel.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stahlhelm#Deutsches_Reich
Ich bin gespannt, wie sich Ernst vor Kopfverletzungen schützt.
MfG V.Z.
V.Z.
Ich habe die Artikel gestern weiter gelesen und verstanden, welcher ein Mythos der deutsche Stahlhelm im späteren Nationalsozialismus hatte.
MfG V.Z.